Die wahren Strukturen

Die wahren Strukturen

 

 

Im April 2010, während einer Reise nach Brüssel, flanierten wir mit Freunden nach einem guten Mittagessen in der Stadt. Unsere lässigen Schritte führten uns in das Sablonviertel, das gut bekannt bei Antiquitätensammlern ist. Dort, in einem Schaufenster eines geschlossenen Geschäfts, entdeckte ich zwischen ausgestopften Alligatoren, anatomischen Tafeln und anderen Scherzen wie schwerelos, über kleinen schwarzen Sockel schwebend, eine Serie grauer Objekte, geometrisch und mit geheimnisvollen Formen.

Der Nachhall in mir war stark und vor so großer Einfachheit, konzentrierter Schönheit und Mysterium blieb ich konfus. Eine Telefonnummer war an der Tür gelassen worden und ich rief an: „Ah, sie meinen die kristallographischen Modelle?“ So erfuhr ich, dass es sich nicht mehr und nicht weniger als um die Struktur der Materie handelt, wenn diese eine außergewöhnliche Verwandlung in Kristall erfährt. Diese kristallographischen Formen dienten als pädagogische Hilfsmittel in den Universitäten. Sie repräsentieren die Entdeckung des Abtes René Just Hauy am Ende des 18. Jahrhunderts. Ein Kunstwerk kann nicht auf die Netzhautempfindung reduziert werden.

Es besitzt eine Aura, die mentale Phänomene auslöst.

Kunst im allgemeinen und Malerei besonders hat immer die spezielle Macht besessen, nur dem Menschen eigen, dieses Geheimnis zu verkörpern. Giorgio de Chirico oder Neo Rauch sind Maler, die durch die Geheimnisse ihrer Gemälde „die Allmacht der versteckten Seite der Dinge“ verbildlichen, wie Pasteur die Hintergründe seiner Recherchen beschreibt.

Wir müssen unbedingt aus dem Autismus à la mode herauskommen, der die Welt auf sich selbst zurückführt und nur auf sich selbst. Welche Hoffnungslosigkeit zu glauben, dass nach der Relativität von Emmanuel Kant, aber auch den Strukturalisten (Foucault, Derrida, Lacan, Deleuze) die Wirklichkeit nicht existiert! Natürlich hat der Anschein nicht den Wert der Realität. Aber deswegen zu glauben, dass alles nur im Gehirn oder hegemonischen Strukturen, die vor ihm existieren, ist – nein!

Zusammenfassend:

zum Verstand ja, zum Rationalismus nein!

Zu den kristallographischen Formen ja, zum Strukturalismus nein!

 

Pierre de Mougins

Übersetzung: Silke Christ

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